Press Details (Pressedetails)
Die erweiterte Presseinformation vom 20.07.2017 basierend auf der kurzen Pressemitteilung vom 20.07.2017 via APA-OTS ist wie folgt [EN]:
Die Suche nach Mister X –
Gerichtsurteil stellt Arbeitsrecht auf den Kopf
Irrungen und Wirrungen über den Vorgesetzten: Fristlose Entlassung
eines Hochschulprofessors – 1.000 EUR Belohnung ausgesetzt!
Ein Professor wird an seinem 40. Geburtstag fristlos entlassen. Als einen wichtigen Grund gibt die bekannte Grazer Hochschule später vor Gericht an, er habe einmalig versucht, seinen Vorgesetzten zu umgehen. Jedoch wer war eigentlich zuständig, fachlich oder disziplinär oder doch nicht? Die lokalen Gerichte ignorieren das Chaos an der Hochschule und die vielen widersprüchlichen Aussagen über den Vorgesetzten. Dies führt zu einer völlig unzureichende Begründung der Entlassung. Des Weiteren nimmt das Oberlandesgericht als Berufungsgericht überraschend an, dass auch eine widerrechtliche Entlassung das Arbeitsverhältnis beende, auch wenn der Kollektivvertrag eine Kündigung verbiete. Für die Aufklärung des echten Entlassungsgrundes setzt der Professor nun 1.000 EUR als Belohnung aus.
Der Professor, Prof. A, sagt zunächst seinen Vorstellungsvortrag für das Berufungsverfahren einer bekannten österreichischen Hochschule ab, wird aber von der Berufungskommission überredet zu kommen. Im März 2014 wird er sogar auf die auf wenige Jahre befristete Professur am Institut des Prof. M berufen, jedoch bald danach aufs Abstellgleis geschoben. Da sich viele Kollegen sowie (von seinem Vorgänger „geerbte“) Mitarbeiter seiner Arbeitsgruppe gegenüber Prof. A wenig kooperativ und auskunftsfreudig zeigen, versucht er in den ersten Monaten etliche Male, auf essentielle Fragen über Vorgesetztenkompetenzen und entscheidende interne Strukturen Antworten von der Hochschulleitung zu erhalten. Mangels Antworten schaltet der weitgehend kalt gestellte Prof. A im April 2015 einen Mediator (einen Anwalt) ein und versucht hierdurch, endlich eine Klärung seiner Arbeitsbedingungen und der Zukunft seiner Professur zu erreichen.
Auch dieses Vorgehen bleibt erfolglos. Die Hochschule unterbreitet nur schlecht durchdachte Vorschläge wie einen für Prof. A sehr nachteiligen Fakultätswechsel zu einem anderen Institut. Schließlich versucht die Hochschule plötzlich eine harte Lösung durch eine sehr zweifelhafte und unklare Änderung der „Zuordnung“ des Prof. A zu einem der Vizerektoren in seiner Fakultät. Dies mündet aber sogar bald darauf in einer fristlosen Entlassung des Prof. A. Als einen wichtigen Grund für die Entlassung gibt die Hochschule später vor Gericht an, Prof. A habe seinen Vorgesetzten einmalig versucht zu umgehen, als er Anfang August 2015 erstmals eine Freistellung für Forschungsleistungen andernorts beantragte.
Schwierige Suche nach Vorgesetzten im Gerichtsprozess
Aber wer, außer dem Rektor, ist eigentlich der Vorgesetzte eines Professors, und wer speziell von Prof. A kurz vor seiner Entlassung am 10. August, seinem 40. Geburtstag? Hierzu äußern sich mit erheblichen Widersprüchen die Hochschule, schriftliche Unterlagen und befragte Zeugen im Gerichtsverfahren, eine kleine Auswahl davon folgt in chronologischer Reihenfolge (das komplette Material ist hier; Hervorhebungen von Auszügen aus Gerichtsakten, Tippfehlerkorrekturen, textuelle/syntaktische Anpassungen, Anonymisierungen der Namen und Ergänzungen in [] sind durch den Verfasser dieses Artikels vorgenommen):
Beilage 6: Interne E-Mail eines Dekans, Prof. U, vom 07.08.2015:
„Herr A wird mit 1.8.[2015] in den Bereich VR [für Forschung] B versetzt, fachlich zuständig sind [der Institutsleiter] S (und nachfolgend U).“
Protokoll der vorbereitenden Tagsatzung vom 05.10.2015, Rechtsanwalt der Hochschule:
„Eine Dienstfreistellung [für Forschungsleistungen] hätte der Kläger bei Prof. S beantragen müssen, dies war ihm seit Ende Juli [2015] bekannt.“
Schriftsatz des Rechtsanwalts der Hochschule vom 19.10.2015:
„Genauso war der Kläger per Weisung des Rektors, die rechtskonform war, per 1.8.2015 direkt Herrn Prof. S zum Institut für … zugeordnet.“
Protokoll der Tagsatzung vom 04.11.2015, Vizerektor für Finanzen für die Hochschule:
„Es war klar, dass er [der Kläger] ab 1.8. als Vorgesetzten Vizerektor B hat. Die Besonderheit war, dass er keinen Institutsleiter über sich hat.“
Protokoll der Tagsatzung vom 29.06.2016, Vizerektor für Forschung, Prof. B, als Zeuge:
„Aus meiner Sicht war klar ausgesprochen,
dass ich der neue Vorgesetzte
des Klägers bin. Der Antrag auf Dienstfreistellung hätte
an mich gerichtet werden müssen. …
Es gab keine Versetzung zum Institut
von Prof. S. Formal war der Kläger
immer noch bei [Prof.] M. Nach dem 01.08.[2015] war er bei mir. Der
Kläger war nie bei Prof. S angesiedelt.“
Trotz zahlreicher offenkundiger Widersprüche bestätigt das Grazer Oberlandesgericht die Entlassung und kommt im April 2017 zu folgendem, höchst fraglichem Schluss: „Im Zusammenhang mit den sich zuspitzenden Ereignissen Ende Juli 2015 rügt Prof. A nunmehr die oben unter Punkt … angeführten Feststellungen [des Landesgerichts] im Zusammenhang mit der Unterstellung von Prof. A unter den Vizerektor Prof. B. In Wahrheit möchte Prof. A … einen genaueren zeitlichen Ablauf der einzelnen Punkte festgestellt haben, aus denen er – nicht schlüssig – aufzeigen will, dass die Frage der Zuständigkeiten chaotisch gewesen wäre und ein Organisationsverschulden der Beklagten vorliege. Damit vermag er jedoch eine Unrichtigkeit der Feststellungen [des Landesgerichts] nicht zu begründen. Der an Prof. A ergangene Vorschlag der direkten Zuordnung zu Prof. B am 22.07.2015 wurde … [vom Landesgericht] im Übrigen ohnedies festgestellt … Auch die Schlussfolgerung von Prof. A, es sei nicht klar gewesen, bei wem er den Freistellungsantrag hätte stellen müssen, kann … nicht ernsthaft belegt werden.“
Auch die rechtlichen Voraussetzungen einer fristlosen Entlassung (außerordentlichen Kündigung) wie Beharrlichkeit und Schwere des Verhaltens des Klägers sowie die fundamentale Relevanz der Wissenschaftsfreiheit eines Professors werden nahezu nicht durch die Gerichte diskutiert. Das Oberlandesgericht verwehrt Prof. A sogar eine ordentliche Revision zum nationalen Obersten Gerichtshof; nur die außerordentliche Revision kann dieses Gericht rechtlich nicht unterbinden, jedoch sind die Erfolgschancen im Allgemeinen sehr gering.
So setzt Prof. A nun eine Belohnung von 1.000 EUR für den echten Entlassungsgrund aus, da seine Karriere zerstört und er arbeitslos wurde. Außerdem berichteten mehrere frühere Professoren von ganz ähnlichen Mobbingproblemen und Schikanen an der Hochschule. Die Gerichtsakten und eine Zusammenfassung sind von erhältlich.